Die Entwicklung der staatlichen Corona-Warn-Applikation hat einige Wochen in Anspruch genommen. Jetzt wurde die Applikation zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie offiziell präsentiert. Wir verraten Euch, ob die Software sinnvoll und die Installation ratsam ist.
Die Applikation ist für iPhones über den App Store und für Android Smartphones via Google Play Store kostenlos erhältlich.
Die App wurde insgesamt 16,4 Millionen Mal (Stand 27.07.) heruntergeladen. Somit kommt die deutsche Warn-App auf doppelt so viele Downloads wie die entsprechenden Applikationen von Frankreich und Italien zusammen. Eine neue Studie der University of Oxford erklärt, dass eine Tracing-App funktioniert, wenn sich 15 Prozent der Bevölkerung beteiligen. In Deutschland sind es aktuell bereits etwa 20 Prozent – eine gute Quote. Die Studie besagt aber auch, dass die Funktion nur dann gewährleistet ist, wenn andere wichtige Maßnahmen, wie Abstandseinhaltung und Kontakteinschränkung eingehalten werden.
Neben den erfreulichen Downloadzahlen und einem grundsätzlich funktionalen System gab es aber auch negative Erscheinungen. Sowohl unter iOS als auch Android hatten die Entwickler Deutsche Telekom und SAP Aktualisierungs-Probleme. Dabei konnte die Tracing-Liste auf den Smartphones nicht durchgehend auf dem neuesten Stand gehalten werden. Bei iOS sorgte ein systemeigener Dienst, welcher für die Abwicklungen von Hintergrundaufgaben verantwortlich ist, für die Komplikationen. Dadurch kam auch die vielzitierte Fehlermeldung „Region für Kontaktmitteilungen geändert“ zustande. Android-User leiden hingegen aufgrund von Akku-Einspar-Mechanismen unter einem ausbleibenden Datenabgleich. Während Apple das iOS-Problem bereits mit der Version 13.6 beheben konnte, tut sich Google bei Android schwerer. Die diversen Smartphone-Hersteller ändern die Basisversion von Android häufig weiter ab, was die Problembehebung noch komplizierter gestaltet. Für beide Nutzergruppen empfiehlt der App-Entwickler, die Corona-Warn-App einmal täglich zu öffnen, um die Datenbank manuell zu aktualisieren.
Nach den anhaltenden Kontaktsperren und Einschränkungen des öffentlichen Alltags werden diese Regulierungen dank rückgängiger Infektionszahlen nun nach und nach gelockert. Gleichzeitig ist es wichtig, dass Hygienestandards nach wie vor strikt befolgt werden. Doch es gibt jetzt einen weiteren Weg, wie man sich an der Eindämmung von COVID-19 beteiligen kann – und der verläuft rein digital.
Das Coronavirus hat eine hohe Infektionsrate und Infizierte zeigen mitunter keinerlei Symptome. Eine Mischung, die die Bekämpfung der Pandemie in den letzten Monaten nicht vereinfacht hat. Es wäre doch ungemein praktisch, wenn Personen, die mit einem Infizierten in Kontakt standen, frühzeitig Bescheid wüssten. Wenn ein Freund oder Familienmitglied erkrankt, kann man der Kontaktgruppe schnell zugeordnet werden. Doch was, wenn es sich bei der Kontaktperson z.B. um den Schlangennachbarn im Supermarkt handelt?
Hier kommt die COVID-19-Tracing-App ins Spiel. Ein Infizierter wird nach positivem Test beim zuständigen Gesundheitsamt gemeldet. Falls der Erkrankte die App nutzt, werden alle User informiert, die sich der Person innerhalb von 14 Tagen unter 2 Meter genähert haben. Nach der Registrierung des Erkrankten beim Gesundheitsamt verläuft der Prozess nicht automatisiert: Jeder, der positiv auf COVID-19 getestet wird, muss den Status in der App zunächst autorisieren. Zukünftig strebt die Bundesregierung einen vollständig automatisierten Prozess an – dabei müssen User vorher einmalig das Einverständnis zur selbstständigen Aktualisierung des Status erteilen.
Getragen wird die neue Tracing-App vom kabellosen Übertragungsstandard Bluetooth. Viele kennen den Verbindungstyp vor allem vom Koppeln mit der Musikbox oder der Autoanlage. In diesem Fall wird die Technik genutzt, um eine Distanzunterschreitung mit Corona-Infizierten zu erfassen. Nutzer der App erhalten regelmäßig neue, zufällig generierte und verschlüsselte Codes. Die Codes werden mit anderen App-User ausgetauscht, wenn sich diese auf 2 Meter oder weniger nähern. 14 Tage lang (etwa die maximale Inkubationszeit) werden die Codes auf dem Smartphone gespeichert. Danach werden die Codes gelöscht.
Wird Person A nun positiv auf COVID-19 getestet, erhalten alle Nutzer, deren verschlüsselter Code auf dem Smartphone von Person A hinterlegt ist, einen Warnhinweis mit entsprechenden Verhaltensempfehlungen.
Für die App muss Bluetooth immer eingeschaltet sein. Das Einschalten von GPS ist nicht nötig. Laut Bundesregierung ist die App stromsparend und somit akkuschonend entwickelt worden – ob das wirklich so ist, wird erst der Praxistest zeigen.
Die App läuft auf vielen iPhones und Android-Smartphones. Um die App auf dem iPhone oder iPad nutzen zu können, ist jedoch mindestens die iOS-Version 13.5 erforderlich.
Eine funktionale Tracing-App setzt voraus, dass alle Abläufe zu 100 Prozent anonymisiert ablaufen. Könnten Daten von Nutzern ausfindig gemacht werden, wäre eine großflächige Anprangerung von Corona-Infizierten nur eine Frage der Zeit.
Mithilfe der zufällig generierten Zufallscodes ist es unmöglich, persönliche Daten festzustellen. Weder Name noch Standort werden übermittelt. Auf den Smartphones wird nur festgehalten, welche Codes sich in den letzten 2 Wochen unter 2 Meter genähert haben. Im Fall einer Infektion müssen sich Betroffene mit dem Gesundheitsamt in Verbindung setzen. Hierbei werden mit der Behörde Daten ausgetauscht – allerdings werden diese weiterhin nicht in der App hinterlegt.
Die Bundesregierung hatte den Softwarekonzern SAP und die Deutsche Telekom in einer Kooperation mit der Entwicklung einer flächendeckenden und systemübergreifenden Corona-Warn-App beauftragt. Nach einigen Wochen der Programmier- und Testphase ist die offizielle Vorstellung jetzt erreicht. Für eine App dieses Umfangs war die Entwicklungszeit extrem kurz.
Neben den 20 Millionen Euro reinen Entwicklungskosten wird auch der anhaltende Betrieb der App Kosten verursachen. Diese sollen sich auf etwa 2,5 bis 3,5 Millionen Euro im Monat belaufen.
Laut Regierungssprecher Steffen Seibert ist der Nutzen der App umso größer, je mehr Menschen sie nutzen. Allerdings würde die Applikation bereits zur Corona-Bekämpfung beitragen, wenn deutlich unter 60 Prozent der deutschen Bürger zur Installation greifen.
Wissenschaftlich bewiesen ist die Effektivität einer Virus-Tracing-App nicht. Andere Länder haben seit einiger Zeit ähnliche Lösungen, allerdings hält sich der Erfolg oftmals in Grenzen. In Singapur denkt die Regierung über das Verteilen von Bluetooth-Empfängern nach, da die nationale Tracing-App „TraceTogether“ nicht den erhofften Erfolg brachte. Beim australischen App-Pendant „COVIDSafe“, welche bereits seit zwei Monaten erhältlich ist, wurde nun eine Inkompatibilität mit iPhones festgestellt: Wenn der Code eines gesperrten iPhones ausläuft, kann es keinen neuen erhalten. Somit wird das Gerät in der Warn-Kette nutzlos, da es keine Codes mehr austauschen kann.
Bei den Entwicklern der deutschen App, SAP und Telekom, handelt es sich um ausgewiesene Softwarespezialisten. Diese werden sich die Problematiken anderer Apps genau angeschaut und im besten Fall ausgemerzt haben.
Ob die App einen echten Beitrag zur Corona-Bekämpfung leistet, werden die nächsten Wochen und Monate zeigen. Sie bildet einen guten Ansatz und einen unterstützenswerten Baustein, dessen Effektivität jetzt unter Beweis gestellt werden muss.